Timeloss
(2002 - Fiske, R. Huxflux Nettermalm, P. Nettermalm, Nylander, Wallén)

Paatos gehören mit ihrem Album "Kallocain" für mich zu einem der musikalischen Höhepunkte des Jahres 2004. Das Album erzeugte zum Glück auch genug Interesse bei den Medien, um im Zuge dieser neuen Aufmerksamkeit das vor zwei Jahren ursprünglich nur in Schweden erschienene Debutalbum "Timeloss" neu aufzulegen und international zu veröffentlichen.

Gegenüber der damaligen Paatosbesetzung gibt es aktuell nur eine Änderung, der Gitarrist Rene Fiske griff damals noch für Stefan Dimle in die Saiten. Die Musik von Paatos ist aber auch auf "Timeloss" in der Grauzone zwischen 70s Rock und Progressive Rock angesiedelt. Als Garnierung obendrauf gibt es noch eine gute Portion Jazz. Heraus kommt melancholische Musik der Extraklasse. Sängerin Petronella Nettermalm wurde jetzt diverse Male schon mit Björk oder Beth Gibbons verglichen, Ähnlichkeiten im Gesangsstil mit Björk sind zwar definitiv vorhanden, aber letztlich hat Frau Nettermalm schlicht und einfach eine ergreifend schöne Stimme, die sehr viel Intimität rüberbringt und zu einem großen Teil zur greifbaren Sinnlichkeit der Musik beiträgt. Wenn Petronella im Track "Hypnotique" in aller Unschuld ganz zu Beginn bereits "I am a flower, smell me" singt, ist es schon um den Hörer geschehen.

Paatos gehen aber, mehr noch als auf ihren Nachfolger "Kallocain", auch gerne instrumental zu Werke. Gepflegte Rhythmik vom Ehegatten der Sängerin, Huxflux Nettermalm, legt die Basis für entrückte Gitarren, jazzige Flöten, gelegentlich auch ein trauriges Cello und natürlich in ewiger Schwermut schwelgende Mellotron- und Synthieklänge des Keyboarders Johan Wallén. Daß Paatos dabei ab und zu auch mal aus sich herausgehen, bekommt man ebenfalls bewiesen. In diesen Momenten atmet die Musik der Schweden den Geist der jazzorientierten Ausrichtung des Progressive Rocks der 70er Jahre.

"Timeloss" zeigt sich dabei etwas experimentierfreudiger als "Kallocain". Was sich vor allem auch beim abschließenden Stück "Quits" bemerkbar macht. Es beginnt als quirliges Drum 'n' Bass Stück, ehe es zum Ende hin in eine scheinbar frei improviserte musikalische Orgie mit Trompeten und Saxophon mündet. Ich persönlich finde das Lied über die ganze Dauer betrachtet doch etwas mühsam, zumal es auch nicht so recht zur melancholisch und vor allem melodisch geprägten Musik der anderen Stücke passen möchte. Bleiben also vier exzellente Lieder übrig. Leider ist die Spieldauer der CD recht kurz, furchtbar kurze 39 Minuten nämlich, wobei "Quits" mit zwölf Minuten zu Buche schlägt. Trotzdem (oder auch gerade deswegen, falls man Drum 'n' Bass und Freistiltrompete mag) ist "Timeloss" den Kauf wert. Die Stärken von "Kallocain" finden sich auf Timeloss in den ersten vier Stücken wieder. Die Schweden haben für "Kallocain" allenfalls noch etwas am Songformat gearbeitet und die instrumentalen Improvisationen zugunsten von mehr Gesangsteilen zurückgeschraubt.

Als kleinen Bonus gibt es auf der CD auch ein Quicktimevideo zum Song "Hypnotique". Die Qualität ist leider extrem bescheiden, das Video ist sehr grobpixelig und kleinformatig, aber immerhin kann man die Band mal in Aktion sehen.

"Timeloss" ist auf jeden Fall ein Debutalbum, das Paatos gut gelungen ist. Sie haben vor zwei Jahren noch ein wenig die Richtung wohl gesucht, aber der aktuelle Musikstil ist deutlich zu erkennen. Damit ist das Album das ideale Nikolausgeschenk nicht nur für Nordlichter. Schwer zu behebende Nebenwirkungen wie akute Wintermelancholie oder sehnsuchtsvolle Gedanken inklusive. Wobei das Gegenmittel dann auf der CD bereits aber auch inklusive ist, indem die Band mit "Quits" so ganz gegen den Strich musiziert.

11 Punkte