Private Parts And Pieces II
(1980)
Anthony Phillips
ist den meisten als erster Leadgitarrist von Genesis
in Erinnerung geblieben. Er verließ die Band nach dem "Trespass"-Album
schon sehr früh in der Karriere der Band. Phillips litt plötzlich
unter furchtbarem Lampenfieber vor Liveauftritten und hatte dazu
eine Lungenentzündung entwickelt, so daß er damals
keine Möglichkeit sah, weiter bei Genesis zu spielen.
Doch obwohl Phillips nur recht kurz bei Genesis spielte hat sein
Gitarrenspiel den Sound der Band auch hinterher noch beeinflußt.
So ist vor allem auch "Nursery Cryme" noch deutlich an "Trespass"
angelegt. Anthony Phillips selber begann in den 70er Jahren an
einer Solokarriere zu arbeiten. In den "Private Parts And Pieces"
Kollektionen wird versprengtes Material zusammengefügt. Das
Album hat also teilweise auch mehr den Charakter einer Kompilation.
Eines der Hauptwerke auf dem Album, die fünfteilige "Scottish
Suite" aus dem Jahre 1976, klingt stark nach Genesis der frühen
Tage. Hier ist der Einfluß von Anthony Phillips auf Genesis
am deutlichsten zu hören. Fans der alten Genesis werden die
"Scottish Suite" sicherlich sehr genießen können. Zudem
spielt Mike Rutherford auf zwei Teilen der Suite den Baß.
Neben diesem Werk gibt es aber auch ganz anderes zu hören.
Es gibt wunderschöne kurze Klavierstücke wie z.B. "Lindsay"
und "Magic Garden". Natürlich bietet das Album auch filigrane
Lieder für Akustikgitarre, die ebenfalls sehr schön
klingen. Doch das reicht Phillips noch nicht: es gibt auch kurze
Kompositionen für Flöte (gespielt von Mel Collins) und
Oboe. Auf zwei stillen Balladen singt Phillips - auf einem ansonsten
komplett instrumental gehaltenen Album. Die beiden Lieder sind
jedoch keine Höhepunkte auf dem Album, klingen aber sympathisch.
Anthony Phillips Diversität ist damit jedoch immer noch nicht
ausgereizt: gibt es doch mit dem fast 9-minütigen "K2" eine
gewaltige elektronische Meditation über den zweithöchsten
Berg der Erde im Himalayagebirge. "K2" ist zwar mehr Klangmalerei
als Musik - eine Melodie fehlt völlig - doch wer sich auf
die Stille des Liedes einläßt kann den K2 spüren
und vor sich sehen. "K2" würde sehr gut als Soundtrack zu
einer Dokumentation über das Hochgebirge passen.
Wenn es einen roten Faden auf dem Album gibt, dann ist es eine
gewisse "Altmodischkeit". Alle Stücke klingen sehr englisch,
sind meist romantisch und still angelegt - was kein Wunder ist,
wenn man die Widmung von Anthony Phillips im Booklet der CD liest:
"Das Album ist all denen gewidmet, die noch die 'altmodischen'
Schönheitsideale ... bevorzugen.".
In seiner Machart ist das Album, auch wenn es eigentlich ein Sammelsurium
an diversen Stilen und Ideen bildet, gut gelungen. Es bietet unterschiedlichste
Spielarten, angefangen von Genesis-ähnlicher Musik, bis hin
zur komplett elektronischen Klangcollage. Mir fällt auf,
daß Phillips als Gitarrist erstaunlich oft seine Stücke
komplett ohne oder nur mit untergeordneter Gitarre bestreitet.
Da ist man von Soloalben anderer Instrumentalisten oft anderes
gewohnt.
Ich kann "Private Parts And Pieces II" all jenen empfehlen, die
romantisch ausgerichtete und meist besinnliche Instrumentalmusik
mögen, auch für Genesis-Fans bietet das Album mit der
"Scottish Suite" etwas. Wer lieber dynamischen Progrock hört
wird mit der Stille auf dem Album wahrscheinlich aber Probleme
haben. Den Vergleich mit Steve
Hackett muß Anthony Philips jedenfalls nicht scheuen.
11 Punkte
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