Progrock - was
ist das?
- Oder: als die Keyboards noch Feuer spuckten... -
Es ist gar nicht so einfach,
eine allgemeingültige Antwort auf die Frage zu finden, da
die Spielarten des Progrocks breit gefächert sind.
Dieses Genre der Musik entwickelte
sich Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre und zeichnete sich damals
durch einige recht charakteristische Merkmale aus. Zum einen wurde
die bis dahin traditionelle Struktur der Lieder durchbrochen.
Gab es zuvor meist das Schema "1. Vers, 2. Vers, Refrain,
3. Vers, Refrain, Solo, Refrain" in mehr oder minder großen
Variationen, so führte der Progrock in die Rockmusik etwas
ein, das aus der Klassik bekannt ist. Den Akt. So sind die Lieder
wie ein klassisches Stück oft in verschiedene Akte unterteilt,
wobei es so etwas wie einen "Refrain" zum mitsingen
zumeist nicht gibt. Zum anderen wurden die Stücke sehr viel
länger. Dauert ein damaliger Rocksong vielleicht drei bis
vier Minuten, so wuchsen die Progrock-Werke bald auf über
zwanzig Minuten an, ein durchschnittlicher Song hatte meist nicht
weniger als zehn Minuten Spielzeit, was natürlich in der
Musik viel mehr Möglichkeiten der Variation offenlegte.
Die Stücke weisen zwar
oft schöne Melodien aus (wobei die Schönheit hier natürlich
sehr subjektiv ist) allerdings werden die oft sehr lyrischen,
manchmal kosmischen oder märchenhaften Texte fast nie so
vorgetragen, daß es zum "Mitsummen" anregt. Progrock
hat meist Stücke, die zum zurücklehnen, zuhören
und nachdenken anregen möchten. Wenn eines Progrock also
nicht ist, dann tanzbar.
Ein weiterer Schwerpunkt ist zumeist das komplexe Arrangement
des Stückes, das sehr häufig ausgetüftelten und
überlangen Solopassagen der einzelnen Musiker Freiraum läßt.
Die Musik wird dabei häufig von Keyboards und Gitarre bestimmt.
Der Rhythmus ist dabei um einiges vertrackter und abwechslungsreicher
als in der herkömmlichen Rock/Pop-Musik. Rhythmus- und Stimmungswechsel
sowie Breaks und Synkopien sind meist Bestandteil im Progrock.
So wie man generell sagen kann, daß die Musik als solches
einfach komplexer und komplizierter ist.
Es wird klar, daß Progrock nicht unbedingt geeignet ist,
um es im Hintergrund mitlaufen zu lassen - die komplexe Musik
fordert um einiges mehr Aufmerksamkeit im positiven Sinne als
ein herkömmlicher Rocksong (auch hier vergleichbar mit der
klassischen Musik).
Ganz neu ist der Progrock natürlich
auch nicht. Wie schon angedeutet, lehnt sich dieses Genre oft
von den Strukturen und einigen Stilmitteln her an die klassische
europäische Musik an, aber auch Jazzmusik und andere Stile
finden ihren Einfluß.
Exponierteste Vertreter des
Genres in den 70er Jahren waren Gruppen wie "Genesis",
"Yes", "Emerson, Lake and Palmer" und auch
"Pink Floyd" (wobei diese einen etwas anderen Ansatz
hatten und z.B. weniger aus der klassischen Ecke kamen) - diese
vier Gruppen definierten damals den Progrock und zeigten alle
Ingredenzien des Genres, die die Fans liebten und die Kritiker
meist verachteten.
So war die Musik bei solchen
Gruppen oft sehr bombastisch auch, die Texte zumeist schwer faßbar
und mit vielen Assoziationen behaftet, die man sich erst erschließen
muß. Auf der Livebühne hielten Bombast und Theatralik
ebenfalls Einzug. Peter Gabriel von "Genesis" liebte
es, in den diversesten Kostümen aufzutreten und die Lieder
sozusagen als Rolle zu verkörpern, "ELP" gingen
in ihren Hochzeiten mit einem ganzen Symphonieorchester auf Tournee,
Keyboarder Keith Emerson mißhandelte seine Hammond-Orgel,
es wurden eigens Keyboards für ihn fabriziert, die Flammenstöße
von sich gaben. Laser, Trockeneisnebel, aufwendige Bühnentechnik-
und kulissen und erste archaische Videoprojektoren bestimmen das
Livebild des Progrocks.
Das Publikum liebte dieses Genre
in den 70ern und die Progrock-Größen spielten fast
immer vor ausverkauften Stadien und Hallen, die Alben gingen millionenfach
über die Ladentische und nicht allein aus diesem Grund waren
die frühen bis mittleren 70er die Hochphase des Progrocks.
Diese neigte sich aber dem Ende zu, als der Punkrock aufkam und
eine Musik spielte, die wieder mehr der Einfachheit anhing - die
Texte behandelten mehr die Problematik der Jugend damals und die
Musik war Inbegriff der Rebellion. Alles Attribute, die der doch
recht intellektuelle, aber auch genauso tief emotionale Progrock
nicht unbedingt bieten konnte.
Viele kleinere Progrockgruppen hörten Ende der 70er auf zu
existieren und die, die überlebten (oder nach einem Winterschlaf
wieder auf der Bühne auftauchten, so wie "Yes"
z.B.) änderten ihren Sound in den 80ern meist völlig.
Beste Beispiele sind hier die Progrock-Giganten von "Genesis"
und "Yes", die in den 80ern lupenreine Rockmusik mit
recht "gewöhnlichen" Songschemata produzierten
und damit ihre Alben sogar mehr verkauften als in den legendären
70ern.
In den frühen 80ern, als
der Punk allmählich auch wieder an Bedeutung verlor, kam
jedoch eine neue progressive Strömung in der Musik auf. Allerdings
auf sehr viel kleinerem Level als in den 70ern noch. Dieser "Neo-Prog"
bezog seine Wurzeln aus den 70ern und von der Musik von "Genesis",
"Yes" und "ELP". Der Neo-Prog, obwohl durchaus
progressiv, war meist nicht mehr ganz so komplex wie die Originale
aus den 70ern. Gruppen wie "Marillion" oder "IQ"
nahmen damals ihren Anfang, wobei schon eines sichtbar wird dabei.
Der Neo-Prog war nun nicht viel mehr als eine Randerscheinung
in der Musik. Die Gruppen in der Öffentlichkeit meist unbekannt
und schon gar nicht in den Charts zu finden.
Eine Gruppe wie "IQ" z.B., die (meiner Meinung nach)
in den frühen 80ern den besten Progrock spielten, sind bisher
nie über einen Insiderstatus hinausgekommen. Einzige Ausnahme
bildet hierbei "Marillion", die sozusagen die kommerzielle
Speerspitze der Neo-Prog Bewegung sind - da sie es als einzige
in den 80ern schafften, ihre Alben und ihre Singles in die Charts
ganz nach oben zu bringen.
In den 90er-Jahren traten vermehrt
neue Progrock-Bands an und auch wenn dieses Genre heutzutage eher
klein und unbeachtet von der Masse sozusagen "schlummert",
ist es sehr lebendig und die Musik, die von den neuen Gruppen
hervorgebracht wird, kann sich sehr wohl mit der der 70er messen.
Wer sich also für Progrock interessiert, kann auch heute
noch viele neue und brillante Bands entdecken. Supper's Ready
möchte einige von ihnen auch vorstellen.
Progrock ist nicht tot - wie sang Greg Lake von "ELP"
einst?
Welcome back my friends, to the show that never ends...
In diesem Sinne - step inside...
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