Storm Season
(2004 - Einarsen, Eng, Erichsen, Frøislie, Holm-Lupo, Sæbøe, Schou, Walthinsen)

Die Norweger von White Willow haben ursprünglich sehr folkorientierte Musik gespielt. Das aktuelle Album "Storm Season" bedeutet eine Abkehr vom Stil vergangener Tage und ist gleichzeitig auch meine erste Begegnung mit den Gruppe.

"Storm Season" ist düster aufgemacht, ein schwarz gekleidetes Mädchen steht mit einem Regenschirm in der Hand in einer trostlosen Landschaft. Gar nicht mal so düster, sondern sehr folkig beginnt hingegen das Album, wenn zu Beginn klagende Flötentöne aus dem Lautsprecher dringen. Es dauert aber nicht lange ehe die analogen Keyboards von Lars-Fredrik Frøislie einsetzen und später dann die so beliebten Mellotronchöre unterstützend hinzukommen. Sängerin Sylvia Erichsen hat eine klare Stimme, sie wirkt zerbrechlich, kann aber ebenso auch sehr druckvoll zu Werke gehen und gefällt mir sehr gut.

Und wie sich das Lied und das Album langsam entwickeln entsteht bei mir der Eindruck, daß White Willow vielleicht ein neues Subgenre im Progressive Rock erfunden haben könnten - den Gothic Progrock. In der Tat klingen White Willow wie eine Mischung aus The Gathering, Within Temptation - und eben sehr viel Progressive Rock. Keyboarder Lars-Fredrik Frøislie bedient mit Inbrunst und Können Moog, Hammond und Mellotron, er hat darauf geachtet, keine Samples, sondern die originalen Instrumente zu verwenden, um möglichst authentisch zu klingen. Dazu dröhnen dann gerne mal die Gitarren, es gibt recht harte Riffs und klagende Soloeinlagen, die teilweise an den Pink Floyd Großmeister David Gilmour erinnern - aber ebenso auch zarte Cellopassagen hier und da. Und daß White Willow nicht nur bombastisch zu Werke gehen beweist das kurze und sehr liebliche "Endless Science", das vor allem von Akustikgitarren und dem schönen Gesang Sylvia Erichsens getragen wird. Gar experimentell wird es auf dem Titellied "Storm Season", auf dem anfangs fremdartige Elektroniksamples den Gesang rhythmisch begleiten, ehe später dann das vertraute Mellotron hinzukommt. Das Lied ergibt sich dabei wie der Rest des Albums in Elegie und schmachtender Schönheit.

"Storm Season" ist in seiner Gesamtheit also düster und melancholisch, Depressionen bekommt man beim Hören aber trotzdem nicht, auch wenn das Album, laut Bandwebsite, sich um extreme und turbulente Gefühlszustände dreht. Die Musik schwelgt in dunkler Schönheit, und ich finde die Mischung aus ausgewachsenem Progressive Rock und Gothicelementen sehr faszinierend. Das Album könnte deshalb sowohl Anhänger des Gothic Rocks als auch Liebhaber lupenreinen Progrocks begeistern. Folkelemente sind hingegen praktisch gar nicht mehr vorhanden. Es ist damit gut möglich, daß Leute, die White Willow von früheren Veröffentlichungen kennen, sehr überrascht sein werden.

"Storm Season" bildet für mich jedenfalls einen passenden Soundtrack zum Winter. White Willow selbst sind ein sehr willkommener Zuwachs in meinem musikalischen Universum. Hoffentlich lassen die Norweger bald wieder von sich hören und warten nicht erneut vier Jahre wie beim Vorgängeralbum ehe eine neue CD erscheint. Leider hat Sängerin Sylvia Erichsen White Willow mittlerweile verlassen, ein Ersatz wurde mit Trude Eidtang jedoch schon gefunden.

13 Punkte